Vorzugsbereich und Lebensbereich
Vorzugstemperaturen von ortsbeweglichen Arten ermittelt man am
besten in einer Temperaturorgel. Dort sammeln sich die Testorganismen in
einem bestimmten Bereich um ihre Vorzugstemperatur (Präferenzbereich1) an.
Optimaltemperaturen für bestimmte Lebenstätigkeiten von Testorganismen (z.B. von Entwicklungs- und Wachstumsgeschwindigkeiten, Bewegungs-
oder Stoffwechselaktivitäten bei unterschiedlichen Temperaturen) ermittelt man, indem man
sie unter kontinuierlich veränderten Bedingungen beobachtet. Trägt man die Ergebnisse eines Experiments
fortlaufend in ein Diagramm ein, so erhält man eine Gedeih- oder Lebensbereichskurve
(Toleranzkurve2). Sie gibt die temperaturabhängigen Lebensaktivitäten vom Temperaturminimum über das Temperaturoptimum bis zum
erduldeten Temperaturmaximum an.
1 von praeferre (lat.) = vorziehen; Bereich des bevorzugten Aufenthaltes /
2 von tolerans (lat.) = ertragend; Kurve für die zu ertragenden Umstände
Temperaturorgel und Präferenzkurve Auf dem doppelten Kupferblechstreifen
stellt sich zwischen Heizung und Kühlung ein Temperaturgefälle ein. Die
Organismen, z.B. Bettwanzen, sammeln sich auf dieser
Laufstrecke im Bereich ihrer Vorzugstemperaturen an. Die Tafel hinter den
geknickt gezeichneten Thermometern zeigt das Temperaturgefälle und die
Verteilungskurve für die Testtiere (Präferenzkurve).
Verteilung einer Käferart auf einer
„Temperaturorgel“. Die Flächen der Temperaturorgel sind unterschiedlich beheizt
(linearer Temperaturgradient).
Toleranzkurve (schematisch). Sie zeigt die Bereiche einer beliebigen
biologischen Aktivität einer Organismenart im Gradienten eines bestimmten
Umweltfaktors innerhalb der Toleranzgrenzen. Die beiden Pessima (Minimum und
Maximum) und das Optimum nennt man Kardinalpunkte
des Lebens.
Am Scheitelpunkt der Toleranzkurve liegt
das Temperaturoptimum. Die Kurve verläuft dort sehr flach, so dass eine
relativ starke Temperaturänderung nur eine geringfügige Aktivitätsänderung (a)
des Organismus bewirkt. Außerhalb dieses Optimalbereichs, an den beiden
Kurvenflanken, die zum Minimum und Maximum hin abfallen, führt
schon eine geringfügige Umweltveränderung zu einem unverhältnismäßig starken
Ansteigen bzw. Absinken der Lebensaktivitäten (b).
Auf ähnliche Weise können Optima
anderer Ökofaktoren ermittelt werden, z.B. von
Beleuchtungsstärke, Luftfeuchtigkeit, Salzgehalt, pH-Wert oder Nahrungsangebot.
Ökologische Potenz
Eine Organismenart stellt spezifische
Ansprüche an ihren Standort. Die Wirkung eines Umweltfaktors hängt dabei von
seiner Quantität ab. Den für den Organismus günstigsten Wert bezeichnet man
als Optimum. Sowohl zu niedrige als auch zu hohe Konzentrationen eines
Faktors wirken ungünstig auf die Art. Man spricht hier von den limitierenden Eigenschaften der
Ökofaktoren. Die Grenzwerte, innerhalb deren die Lebensfähigkeit des
Organismus noch gegeben ist, werden als Minimum und Maximum bezeichnet.
Der zwischen diesen Eckwerten liegende Toleranzbereich
gibt die ökologische Potenz einer Organismenart gegenüber dem
betreffenden Umweltfaktor an. Arten mit einem engen Toleranzbereich bezeichnet
man als stenök. Zeigt der Organismus gegenüber einem Umweltfaktor eine
weite ökologische Potenz, so ist er euryök. In der Regel ist die
Reaktionsnorm der Art gegenüber bestimmten Umweltfaktoren erblich bedingt.
Werden dem Organismus verschiedene Konzentrationen eines Faktors angeboten, so
wird angeborenermaßen der optimale Bereich, das Präferendum,
bevorzugt.
Im Lebensraum einer Art ist dort der
günstigste Standort, wo sich die Optima der für den Organismus wichtigen
Faktoren überschneiden. Andererseits gilt nach dem Wirkungsgesetz der Umweltfaktoren: Der Faktor, der
in der ungünstigsten Konzentration vorliegt, bestimmt wesentlich die Dichte
der Art (Anzahl der Individuen pro Fläche). So kann z.B.
das Fehlen von Kalium im Nährsalzangebot bei der Pflanze entscheidende
Wachstumsstörungen hervorrufen, auch wenn alle anderen Elemente in optimalen
Konzentrationen vorliegen. Entsprechendes gilt für zu hohe Konzentrationen
einzelner Umweltfaktoren.
Die Reaktionsnorm etwa gegenüber
Temperatur, Feuchtigkeit, Nahrung und weiteren Umweltfaktoren bestimmt die
Verbreitung einer Art. Insgesamt ergibt sich ein komplexes Wechselspiel
zwischen den Umweltfaktoren und dem Organismus. So können durch Kombinationen
verschiedener Faktoren gleiche ökologische Effekte resultieren
Liebigs
Gesetz des Minimums (Fassmodell): Die kleinste Fassdaube (Minimumfaktor)
bestimmt die Höhe des Flüssigkeitsspiegels (z.B.
Ernteertrag)
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1. Versuchsanordnung zur Beobachtung von
Pantoffeltierchen im Temperaturgefälle zu beiden Seiten eines Heizdrahts Man bringt auf einen vorbereiteten Objektträger einen Wassertropfen mit
Pantoffeltierchen (Paramaecium spec), legt
ein Deckglas auf, betrachtet die Verteilung der Tiere
unter dem Mikroskop und schaltet den Strom ein. Die Pantoffeltierchen werden
der heißen Zone um
den Heizdraht entfliehen und sich in einer Zone für sie günstiger Temperatur aufhalten. |
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2. Versuchsanordnung zur Ermittlung der
bevorzugten Wassertemperatur von Mückenlarven Man gibt einige Mückenlarven (z.B.
von Culex spec. aus einem Wassertümpel oder Regenfass) in eine schmale Küvette mit entsprechender Heiz- und Kühleinrichtung! Die Larven werden sich in
einer bestimmten Wasserzone ansammeln. |
Aufgaben
1. Fische in arktischen Gewässern und
Insektenlarven in klaren Bergbächen wachsen und entwickeln sich wesentlich
langsamer als verwandte Arten in wärmeren Gewässern. Interpretiere diesen
Sachverhalt anhand der Toleranzkurve!
2. Interpretiere die
Temperaturtoleranzkurve als typische Optimumkurve
unter Verwendung von Kenntnissen aus der Stoffwechselphysiologie (RGT-Regel, Denaturierung
der Enzymeiweiße!